Arthur Brühlmeier

Website für Erziehungswissenschaft, Pädagogik, Psychologie, Schule und Familie

Arthur Brühlmeier
Seite wählen

Ein paar Worte über Kunst, Kunsterleben und Kunstverständnis

Lieber angehender Kunstfreund 

Du hast mich gebeten, ich möge aufschreiben, was unter „Kunstbetrachtung“ zu verstehen und was denn „Kunst“ überhaupt sei. Nun bin ich kein Fachmann der Kunstwissenschaft, und so schreibe ich denn, wenn ich hier Deinem Wunsch entspreche, als Kunstliebhaber, und zwar für Dich als einen Menschen, der sich mit dieser schwierigen Materie kaum je befasst hat, der noch wenig Gespür für „Kunst“ ausgebildet hat und darum auch noch gar nicht in der Lage ist, sich ein Urteil darüber zu erlauben, ob irgend etwas als „Kunstwerk“ eingestuft werden darf oder nicht. Ich schreibe aber auch als Pädagoge und erlaube mir da und dort einen Hinweis auf die Aufgaben und Möglichkeiten der Schule.

Alles, was ich Dir zu sagen habe, steht auf schwankendem Boden, und es gibt wohl kaum eine Aussage, die nicht von irgend jemandem oder vom Standpunkt irgend einer Theorie aus bestritten wird. Lass Dich dadurch nicht verwirren. Du hast ja mich gefragt, und so nimm es in Kauf, dass Du meine persönlichen Ansichten vernimmst. Das Recht, mich zu diesem Thema zu äussern, nehme ich mir darum heraus, weil die „Kunst“ in verschiedenster Weise mein Leben begleitet und bereichert. Viele Tausend Stunden in meinem Leben fühlte ich mich erfüllt und glücklich, weil sich mir vor fast 50 Jahren die Welt der Kunst zu erschliessen begann. Ich möchte zu Beginn ein wenig davon erzählen:

Das erste Verdienst kommt dabei Ernst Schaerer zu, meinem Gesangslehrer in der Bezirksschule, der uns in der 6. Klasse mit der Musik Mozarts und später auch vieler anderer Komponisten bekannt machte. Ich höre heute noch, wie im Musiksaal auf einem Plattenspieler (damals 78-tourige Schellack-Platten) die Serenata Notturna in D-dur (Köchel-Verzeichnis Nr. 239) erklang. Schaerer wirkte mehrmals jährlich als Dirigent von Sinfonie-Konzerten im Kursaal Baden, wo er zumeist mit dem Stadtorchester Winterthur, dem damals vielleicht besten Orchester der Schweiz, zusammenarbeitete. Uns Bezirksschülern gewährte man für einen Franken Eintritt in die Konzerte, und so habe ich von der 6. Klasse an regelmässig jährlich mehrere Sinfonie-Konzerte besucht und viele bedeutende Werke der Klassischen Musik kennengelernt und berühmte Solisten gehört. Das Programm des ersten Konzerts, das ich besuchte (es dürfte etwa 1947 gewesen sein, und es wurden ausschliesslich Werke von Beethoven gespielt), ist mir heute noch gegenwärtig: Corolian-Ouvertüre, Violinkonzert mit André de Ribeaupierre als Solisten, 5. Sinfonie.

Wer mir den Anstoss zum Sammeln von Kunstkarten gab, weiss ich nicht mehr. Im Elternhaus jedenfalls gab es keine solche Tradition. Michelangelo, Ferdinand Hodler und van Gogh waren schon in der 7. Klasse meine Lieblingsmaler, und ich schmückte die Wände meines Schlafzimmers mit Bildern dieser Künstler in Postkartengrösse (sie kosteten in der Papeterie 20 Rappen). Ich lernte sehr bald auch die Welt des Impressionismus kennen und reicherte meine Sammlung an mit Bildern von Gauguin, Monet, Manet, Cézanne, Renoir, Pissarro und andern. Auch die Bildhauerei begann mich zu interessieren, vielleicht auch deshalb, weil ein entfernter Verwandter von mir selbst Bildhauer war und ich jeweils sonntags nach dem Gottesdienst in sein Atelier ging, um den Fortgang seiner Werke mitzuverfolgen. Zumeist modellierte er schöne nackte Frauen in Lebensgrösse, was mir damals grossen Eindruck machte. Eine Klassenkameradin von mir verriet mir später einmal, dass sie ihm Modell stand. So ist sie denn heute noch als Bronze-Statue in vielen verspielten Posen in Gärten reicher Herren anzutreffen.

In meiner Seminarzeit befreundete ich mich mit Anton Egloff, der heute als Lehrer an der Schule für Gestaltung in Luzern wirkt und den ich für einen der bedeutendsten Schweizer Künstler der Gegenwart halte. 1956 reisten wir gemeinsam für eine Woche nach Florenz, wo wir insbesondere die Werke Donatellos, Michelangelos und Fra Angelicos studierten und wo uns auch der Unterschied zwischen den Werken eines Giambologna und eines Michelangelo deutlich wurde.

Doch nun genug von meiner Kindheit und Jugendzeit. Ich möchte jetzt aufzeigen, wie ich über Kunst denke und wie ich sie erlebe. Dabei reihe ich meine Gedanken auf wie die Perlen an einer Schnur, ohne zwingende Systematik, einfach so, wie sie in mir wach werden:

Grundbegriffe: Kultur, Zivilisation, Kunst

Der Mensch ist das einzige irdische Wesen, das Kunst zu schaffen vermag. Das Tier ist wesensmässig eingebettet in seine Umwelt, ist geradezu Teil von ihr. Es kann sich nicht davon distanzieren und darum keine Freiheit erringen. Der Mensch hingegen erkennt seine Lage und die Bedingungen seiner Existenz, er kann sich von manchem befreien, das einem ungeistigen Wesen als Zwang gelten müsste, er kann seine Umwelt umgestalten, er kann eine eigene, eine neue Welt schaffen. Das Gegebene ist die Natur, das vom Menschen Geschaffene die Kultur, Kultur „im weiteren Sinne“ verstanden.

Nun lässt sich die kulturelle Welt weiter unterteilen: Alles, was bloss der Erleichterung der menschlichen Existenz dient, kann man etwa unter dem Begriff „Zivilisation“ fassen. „Kultur im engeren Sinne“ (also nicht der Gegensatz von „Natur“, sondern von „Zivilisation“) übersteigt diese Zwecke, sie dient der Steigerung der Lebensqualität, sie befriedigt die Bedürfnisse unserer geistigen Existenz. „Kunst“ ist als Teil dieser Kultur im engeren Sinne zu verstehen. Dabei ist zwischen angewandter und ‘reiner’ Kunst zu unterscheiden. Wer Kunstkenner, Kunstliebhaber, Kunstsachverständiger werden will, muss sich somit um das Wesen der Kultur bemühen und am kulturellen Leben teilhaben.

Kunst schaffen und Kunst erleben

Die Kunst bereichert das menschliche Leben grundsätzlich auf zwei Arten: Wir können einerseits das verstehen, erleben, geniessen, nachvollziehen, was irgendwelche Künstler geschaffen haben, und/oder wir können uns andererseits selber als Künstler betätigen. Für beides braucht es Talent, aber das Kunstverständnis können wohl die meisten Menschen durch guten Willen, gezielte Übung und echtes Interesse entwickeln, wogegen man sich nicht willentlich entschliessen kann, Künstler zu werden, wenn einem die entsprechende Begabung nicht in die Wiege gelegt wurde. Beim wirklichen Künstler paart sich Talent mit Fleiss und zielstrebigem Lernen. „Kunst“ leitet sich vom Verb „Können“ her. Der Künstler ist demgemäss ein Mensch, der etwas Besonderes kann, zu dem die Mehrheit der Menschen nicht fähig ist.

Auseinandersetzung mit dem Künstler als Menschen

Man wird wohl niemals wirklichen Zugang zur Kunst finden, wenn man sich nicht mit den Künstlern auseinandersetzt. Dies gilt ganz besonders für die Kunst der Gegenwart. Je jünger ein Kunstwerk ist, desto mehr ist es zu verstehen als Teil, als Ausschnitt aus einem übergreifenden Prozess. Bei alten Kunstwerken (z. B. aus dem Mittelalter) lässt sich der künstlerische Wert eines Werks noch erkennen, ohne dass man den Künstler und sein Leben kennt. Ein Werk eines Joseph Beuys (als Beispiel) bleibt weitgehend unverstanden, wenn man es isoliert betrachtet. Vielmehr muss man es sehen als Ausdruck einer Suche, eines Lebensprozesses, einer Entwicklung, einer Denkweise, und hinter diese Dinge kommt nur, wer sich mit dem Menschen, der die Kunstwerke schafft, beschäftigt.

Kunst als Spiel des Geistes

„Kunst“ übersteigt immer das bloss Zweckhafte. Sie ist ein Spiel des Geistes und darum immer ein Ausdruck der Geistigkeit des Kunstschaffenden und des Betrachters. Menschlicher Geist äussert sich u. a. darin, dass er den Dingen auf den Grund gehen will: Er sucht das Wahre, die Wahrheit, das Wesen der Dinge. Dem Künstler ist es gegeben, das an sich unsichtbare Wesen der Dinge sichtbar und für andere erlebbar zu machen. Erleben können dieses Wesentliche wiederum nur Menschen, die ihre eigene Geistigkeit entwickeln, denen die Erkenntnis des Wesentlichen ein echtes Anliegen ist, die selbst stets auf der Suche sind, die überall von der Oberfläche in die Tiefe dringen wollen.

Die Grundvoraussetzung: Sensibilität

Für beides – für das Kunstschaffen und das Kunsterleben – braucht es daher Empfindsamkeit, Sensibilität. Ein unsensibler Mensch wird nie Künstler werden und nie zu einem beglückenden Kunsterleben oder Kunstgenuss kommen. Lehrer oder sonstige Erzieher, die einem jungen Menschen die Welt der Kunst erschliessen helfen wollen, müssen deshalb zuallererst dafür besorgt sein, dass er empfindsam wird. In ganz jungen Jahren kann man das nur bedingt an Kunstwerken üben. Geeigneter sind das Erleben der Naturschönheiten und das sich Einfühlen in die Mitmenschen.

Kunstwerke offenbaren den Zeitgeist

Es wurde wohl deutlich: Kunstwerke sind Belege für eine bestimmte Art von Lebensführung des jeweiligen Künstlers. Aber das ist nicht alles: Sie sind in irgend einer Art immer auch Ausdruck einer bestimmten Zeit und einer bestimmten gesellschaftlichen Situation. Wäre dem nicht so, so könnten die Kunstkenner nicht z. B. ein Bild, eine Komposition, ein Dichtwerk usw. eines ihnen noch nicht bekannten Künstlers mit einiger Sicherheit einer Epoche oder einer künstlerischen Strömung zuweisen. In den Kunstwerken verdichten sich das Lebensgefühl und die grundlegenden Lebensanschauungen einer Zeit, einer Gesellschaft oder einer gesellschaftlichen Gruppe. Kunstwerke machen den wachen Zeitgenossen das sichtbar, was ihnen nicht oder noch nicht zum Bewusstsein gekommen ist. Künstler sind aber auch meist Menschen, die nach neuen Ufern streben. Sie sind wie die Zeiger von Seismographen (Erdbebenmesser), die aber nicht bloss die feinsten Bewegungen im Untergrund der Gegenwart anzeigen, sondern auch ein feines Gespür für das Kommende haben und dieses durch ihre Werke ankündigen. Dabei lässt sich natürlich darüber diskutieren, ob es „das Kommende“ gewissermassen als vorausbestimmtes Geschick der jeweiligen Menschheit gibt oder ob eben die Künstler (neben andern Kulturschaffenden) durch ihre Tätigkeit das Neue im eigentlichen Sinne erzeugen oder zumindest miterzeugen. Ich denke, dass diese Frage nicht als ein Entweder-Oder beantwortet werden muss.

Ein Künstler ist kein Macher

Der Künstler kann das sich im Verborgenen Ankündigende nur darum durch seine Werke sichtbar machen, weil er das Kunstwerk nicht „macht“. Der Macher erzeugt Machwerke, der Künstler Kunstwerke. Machwerke sind grösstenteils aus dem Intellekt erzeugt oder sind Ausdruck einer leeren handwerklichen Routine. Kunstwerke hingegen erwachsen unter den Händen des Künstlers zumeist in einer Art von Begeisterung. Es fliesst etwas von ihrer Seele hinein, das sie selber oft als überraschendes Geschenk empfinden. Der Kunstschaffende ist deshalb nie bloss aktiv, sondern zugleich immer auch passiv, empfangend. Diese Eingebung aus einem unsichtbaren oder unbewussten Bereich, dieses Gespür für das gerade Richtige und Notwendige nennt man „Intuition“. Im künstlerischen Schaffensprozess ist stets Intuition am Werke. Natürlich ist dem wahren Künstler auch der Unterschied zwischen einem mittelmässigen und einem guten Werk bewusst, aber das Bewusstsein begleitet mehr den intuitiven Schaffensprozess, als dass es ihn steuert, und oft setzt es erst im Nachhinein ein. Die meisten Künstler nehmen dieses Beschenktwerden durch die Intuition als hoch beglückend wahr, weshalb sie ihre Tätigkeit niemals gegen eine einträglichere eintauschen möchten.

Viele Künstler haben dazu aber auch gar nicht die Wahl. Der Stoff in ihrer Seele, der gestaltet werden will, drängt sie derart zum Schaffen, dass sie gar nicht anders können. Es gibt Künstler, die in eine eigentliche Schaffenswut geraten und sich wie ein Feuer verzehren, und gehorchten sie ihrem inneren Drange nicht, würden sie seelisch krank. Freilich ist dies nicht bei allen so. Es gibt andere, die hochbegabt sind und bloss wenig schaffen.

Kunst als Brücke zwischen Sinnlichem und Unsinnlichem

Der Künstler will das, was aus seiner Seele drängt, gestalten, sichtbar, hörbar machen. Kunst bedient sich grundsätzlich der Sinnlichkeit des Menschen. In der Architektur und in der Bildhauerei schafft sie sicht- und greifbare Monumente, in der Malerei sichtbare Bilder, im Theater und im Tanz bewegte Szenen, in der Dichtkunst innere Bilder (Vorstellungen) und in der Musik hörbare Klänge. Der taube Beethoven ist kein Gegenbeweis, denn er hörte den Klang seiner Werke in seinem Innern. Aber die Kunst bleibt beim Sinnlichen nicht stehen. Sie nährt sich aus dem Unsinnlichen (Nicht-Sinnlichen, Über-Sinnlichen), lebt also aus Gedanken, Intuitionen (Eingebungen), Gefühlen und erzeugt diese im Betrachter und Hörer. So schlägt sie nicht nur eine Brücke zwischen dem Schaffenden und dem Empfänger, sondern auch zwischen dem Sinnlichen und Unsinnlichen.

Das Schöne zwischen Kunst und Kitsch

Kunst hat oft, aber gewiss nicht immer, etwas mit Schönheit zu tun. Das echt Schöne ist immer auch wahr, aber das Wahre ist nicht immer schön. Schöne Kunst ist immer auch wahr; sie dient jener Wahrheit, die auch schön ist. Schöne „Kunst“, die die Wahrheit verfälscht, ist Kitsch. Kitsch täuscht vor, spielt mit unechten Gefühlen, überträufelt das Kantige der Wahrheit und das Einfache der Schönheit mit süsslichem Zierat. Kitsch gibt vor, belügt, ist immerhin zumeist gut gemeint.

Die Bedeutung des Handwerks

Kitsch-Produzenten können gewandte Zeichner, schnellfertige Komponisten oder tüchtige Schreiber sein. Sie beherrschen das grundlegende Handwerk. Auch der echte Künstler beherrscht sein Handwerk, obwohl es auch hier Ausnahmen gibt. Ein Werk kann somit ein echtes Kunstwerk sein, obwohl dem Fachmann gewisse handwerkliche Mängel auffallen. Das ist allerdings nicht die Regel. Aber das Handwerk allein macht noch keinen Künstler. Natürlich braucht es auch zum Handwerk Begabung, aber es ist dann eben nicht das künstlerische, sondern das handwerkliche Talent. Durch gezielte Übung und grossen Fleiss lässt sich das Handwerk bis auf grösste Höhen steigern. Das zeigt sich etwa bei Musikern. Wenn jemand über viele Jahre täglich 10 Stunden und mehr übt, so erreichen seine Finger eine Fertigkeit und Präzision, welche die Vorstellung jedes Nichtkenners weit übersteigen. Man spricht dann von „Virtuosität“. Es gibt aber nicht bloss virtuose Pianisten, sondern auch virtuose Zeichner, Schreiber, Tänzer usf. Virtuosität löst natürlich zu Recht Staunen und Bewunderung aus, aber ist sie nicht gepaart mit wirklich künstlerischer Gestaltungskraft, so ermüdet sie. Sie stellt sich dann selber zur Schau, statt dem Gedanken, der Idee zu dienen. Auf die Dauer wirkt sie schal und leer, als blendende Schaumschlägerei. Macher, die gerne Künstler wären, aber eben keine sind, übertünchen den geistigen Mangel gerne mit brillierender Virtuosität. Das verblüfft dann, und da eben viele Menschen den Unterschied zwischen geistigem Gehalt und handwerklicher Virtuosität nicht zu machen in der Lage sind, haben diese „Künstler“ auch Erfolg. Viele werden auch reich, was zeigt, dass man den geistigen Gehalt nicht mit Geldeswert bemessen kann. Da aber der virtuose Macher bloss Machwerke erzeugt, wird er bald vergessen und gehen seine Werke unter.

Angewandte und ‘reine’ Kunst

In meinen bisherigen Ausführungen habe ich noch keine bestimmte Kunstgattung im Auge gehabt, sondern die Kunst an sich oder alle denkbaren Künste. Letztlich kann alles, was der Mensch gestaltet, auf „künstlerische Weise“ geschehen und kann fast alles zum Kunstwerk werden. Michelangelo hat nicht bloss Figuren aus Marmor gemeisselt und Wände mit Fresken bemalt, sondern auch Brücken gebaut. In Florenz steht noch eine, und sie ist ein wahrhaftes Kunstwerk. Auch Häuser, die einen bestimmten weltlichen oder geistlichen Zweck erfüllen, können unter der Hand von guten Architekten zu Kunstwerken werden. Heute kommt kaum mehr ein Gebrauchsgegenstand auf den Markt, der nicht von einem professionellen Designer gestaltet wurde. Viele Designer sind wirkliche Künstler. Dasselbe gilt von Grafikern, Typographen, Büchermachern, Modezeichnern, Schaufensterdekorateuren, Entwerfern von Stoff- und Tapetenmustern und vielen andern. Dies zeigt, dass wir die Kunst nicht einfach vom Leben und auch nicht einfach von dem, was ich eingangs als Zivilisation definiert habe, trennen können. Und doch gilt es zu unterscheiden zwischen der angewandten Kunst, wie eben beschrieben, und der ‘reinen’ Kunst, die keinem zivilisatorischen Zweck mehr dient, sondern bloss noch das Wesen eines Sachverhalts, eine innere Wahrheit sichtbar machen will.

Die klassischen Gebiete der ‘reinen’ (d. h. nicht angewandten) Kunst sind die Dichtkunst, die Musik (Komposition und Interpretation), die Malerei und Bildhauerei (bildende Künste), die Kunst der mimischen Darstellung (Theater) und des Tanzes. Die bildenden Künste sind in neuerer Zeit ausgeweitet worden durch die Fotografie und den Film. In den folgenden Ausführungen befasse ich mich bloss noch mit den bildenden Künsten, vorab mit der Malerei.

Das Was und das Wie

Viele Menschen schätzen ein Bild (und halten es darum für ein Kunstwerk), weil es dem Maler geglückt ist, einen Gegenstand oder eine Situation fast fotografisch genau abzumalen, und weil ihnen das, was dargestellt ist, aus irgend einem Grunde gefällt. Diesen Menschen geht es weniger um das Bild an sich, als um den dargestellten Inhalt. Sobald sie – z. B. in einem modernen Bild – keinen oder keinen eindeutigen Inhalt mehr festzustellen vermögen, lehnen sie es ab. Zumeist fragen sie dann, was das sein soll. Wer so fragt, weiss in der Regel die Antwort schon und will auch gar nichts Neues mehr lernen. Wer auf Neues hin offen ist und etwas, das er einstweilen nicht versteht, wirklich verstehen möchte, fragt nicht „Was soll das sein?“, sondern „Was ist das?“.

Wer sich mit der Welt der Kunst vertraut machen will, darf sich nicht bloss mit dem Bildinhalt befassen und sich fragen, was dargestellt ist, sondern er muss darauf achten, wie etwas dargestellt ist oder – wenn (wie in der sog. konkreten Kunst) kein dinglicher Inhalt mehr zu erkennen ist – wie das Bild an sich gestaltet ist und was es als Bild aussagen möchte. Der Kunstkenner sucht nicht primär etwas im Bild, sondern er versucht, das Bild zu verstehen, sich am Bild zu freuen. Es mag etwas in einem Bild Dargestelltes an sich noch so schön oder bedeutungsvoll sein – ob es ein Kunstwerk ist, steht auf einem ganz andern Blatt. Wenn jemand einen Rosenstrauss oder das Matterhorn oder die Mutter Gottes malt, so heisst dies noch lange nicht, dass es sich deswegen um ein Kunstwerk handeln muss. Dies entscheidet sich einzig darin, wie er es macht, d.h. ob es ihm gelingt, das innere Wesen dieser Gehalte oder seinen eigenen Lebensbezug zu ihnen überzeugend, wahr und formal richtig zum Ausdruck zu bringen. Kunstwerke sind immer mehr als das Dargestellte, sie sind etwas Neues, das es zuvor noch nicht gab, sie sind ein Stück neu geschaffene geistige Welt mit einem Eigenleben.

Die Bedeutung der dargestellten Inhalte

Das heisst nun allerdings nicht, dass die Bildinhalte bedeutungslos wären. Hier hat sich eben im Laufe der Geistesgeschichte auch ein Wandel abgespielt. Bilder ohne dinglichen Inhalt zu malen, ist eine Erfindung unseres Jahrhunderts. In früheren Zeiten hat ein Maler stets einen Inhalt auf die Holztafel, auf den Verputz einer Wand oder auf die Leinwand malen wollen, weil ihm dieser Inhalt wichtig war. Je weiter wir in der Kunstgeschichte zurückgehen, desto wichtiger wird der Inhalt. Einem Maler des Mittelalters wäre es nicht in den Sinn gekommen, einfach einen Blumenstrauss oder ein Toilettentischchen zu malen. Diese Inhalte wären ihm zu banal vorgekommen. Er befasste sich in seinen Bildern mit Himmel, Fegefeuer und Hölle, somit mit dem Jenseits, oder mit Szenen aus der Bibel oder dem Leben der Heiligen. Oder dann malte er Herrscher, Würdenträger, Schlachten und dergleichen. Gelegentlich finden sich auch Szenen aus dem Alltagsleben. Selten findet sich ein Bild ohne menschliche oder jenseitige Wesen. Um die Zeit der Renaissance herum wurde der menschliche Körper als solcher und wurden natürliche Landschaften immer wichtiger. Man begann Stilleben zu malen, auf denen allerlei Speisen und Getränke oder Gegenstände des Alltags zu einer gefälligen Gruppe angeordnet waren. Allmählich gab es nichts mehr, das nicht Inhalt eines Bildes werden konnte. So kann es denn keine Frage sein, dass es ausserordentlich interessant und reizvoll ist, sich angesichts eines Bildes oder eines Kunstwerks (was ja nicht dasselbe sein muss) eingehend mit dem dargestellten Inhalt zu befassen. Meist steckt viel mehr darin, als eine erste oberflächliche Betrachtung vermuten liesse. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Fotografie erfunden, und so erstaunt es nicht, dass die Maler immer weniger ihre Aufgabe darin sahen, eine Situation möglichst naturgetreu abzumalen. Dadurch trat der Bildinhalt automatisch etwas in den Hintergrund (obwohl er natürlich in vielen Kunstwerken bis zur heutigen Zeit sehr bedeutungsvoll sein kann), und das Eigendasein des Bildes wurde immer wichtiger.

Was macht ein Bild zum Kunstwerk?

Damit stellt sich natürlich die Frage, was denn ein gutes Bild, das als Kunstwerk gelten darf, ausmacht. Für mich sind es zwei Dinge: Einerseits gibt es eine Reihe formaler Kriterien, denen ein Bild gerecht werden muss (siehe weiter unten), und andererseits gibt es etwas Geheimnisvolles, das man kaum mehr angemessen beschreiben kann, und selbst dann, wenn es gelänge, nützt es dem Leser nichts, wenn er das, was ich meine, nicht selber sieht, spürt und erlebt. So komme ich mir denn vor wie eine Katze, die um den heissen Brei herum geht: Auch ich kann das, was ich meine, bloss mit meinen Worten umkreisen, aber es gelingt nicht, es jemandem zu geben. Ich versuche es so: Ein Kunstwerk hat eine Ausstrahlung, es ist, als würde es atmen, als läge ein Duft über dem Ganzen. Die Farben klingen, erregen Geschmack und Geruch. Das Werk ruht auf eine eigenartige Weise in sich selbst, so, als spräche es: „Ich bin da, ich habe mein eigenes Leben, und du kannst mich noch so lange anschauen, du wirst mich nie ausschöpfen. Du verstehst mich, und doch bleibe ich dir ein Rätsel. Jeden Tag werde ich dir etwas anderes zeigen. Dieses bleibt da, und doch ist es wieder neu. Ich bin nicht bloss eine Ansammlung von Farbe, von Licht und Dunkel, ich verkörpere einen Gedanken, eine Idee. Selbst wenn du mich verbrennen würdest, bin ich noch da, ich gehöre unauslöschlich zur geistigen Welt. Ich bin lebendig, denn in mir lebt ein Teil des Geistes, ein Teil der Seele meines Schöpfers. Mit ihnen kannst Du Dich verbinden, und ich bin die Brücke dazu.“ Ich merke: Es nützt alles nichts. Goethe sagte: Wenn ihr’s nicht erfühlt, ihr werdet’s nicht erjagen.

Erstes formales Kriterium: Komposition

Und nun ein paar Worte zu den formalen Kriterien: Vielleicht als erstes achtet der Kunstkenner – möglichweise ganz intuitiv – auf die Komposition. Wie verlaufen die Linien, wie verhalten sich die Flächen zueinander, wie ist der Bildraum genutzt, aufgeteilt, gestaltet, welche Formen umschliessen die Linien, und wie sprechen die Formen und Linien miteinander? Stimmen die Gewichte, ist das Bild ausgewogen und trotzdem nicht langweilig, sondern spannungsgeladen, und zwar auf eine solche Weise, dass der Grundgehalt des Bildes dadurch zum Ausdruck kommt? Auch hier gilt dasselbe: Man kann es zwar in Sprache fassen, aber es nützt alles nichts, wenn man es nicht sieht. Ich nehme für mich in Anspruch, ein sicheres Auge zu haben. Das ist natürlich kommod. Wenn ich fotografiere oder ein Bild im Labor gestalte, stelle ich mich möglichst passiv und verändere den Ausschnitt so lange, bis mich das Auge nicht mehr schmerzt.

Der Sinn für ausgewogene Komposition sollte in der Schule – im Zeichenunterricht, bei der Heftgestaltung, beim Aufkleben von gepressten Pflanzen usf. – geschult werden. Ich habe dies seinerzeit von der 1. Klasse an systematisch gemacht und gute Erfolge erzielt. Dies war mir natürlich nur möglich, weil ich mich schon früh für Kunst interessierte.

Zweites formales Kriterium: Die Farben

Es ist sowohl für den Maler, wie auch für den Betrachter ausserordentlich spannend, sich mit der Welt der Farben auseinanderzusetzen. Allerdings ist nicht jedes Bild farbig, denn es gibt Zeichnungen und Schwarz-Weiss-Grafik. Beim Betrachten eines farbigen Bildes stellen sich die Fragen, ob die Farben zusammenpassen, ob und in welcher Weise sie sich gegenseitig beeinflussen und steigern und – wiederum – wie sie dem Gehalt des Bildes dienen.

Die Entwicklung von Farbensinn ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe des Zeichenunterrichts. Ich habe auch dies seinerzeit von der 1. Klasse an gezielt geübt, und auf der Oberstufe habe ich, nachdem wir einen Farbkreis gemalt hatten, mit den Schülern die Systematik der Farben behandelt. Grundsätzlich gibt es unendlich viele Farben, und diese Vielfalt kommt zustande, indem man jede reine Farbe – das ist irgend ein Punkt auf dem Farbkreis – als Ecke eines gleichseitigen Dreiecks betrachtet, in welchem die beiden andern Ecken Weiss und Schwarz darstellen. Diese beiden ergeben, je nach Mischungsverhältnis, alle möglichen Graustufen, und wenn man diese wiederum mit der reinen Farbe aus dem Farbkreis mischt, ergeben sich aus einem einzigen Punkt des Farbkreises theoretisch unendlich viele Farben. Je näher die Farbe bei der Farbecke liegt, desto leuchtender ist sie, je mehr sie sich der Gegenseite (der Grausäule) annähert, umso gedämpfter ist sie, wobei die Dämpfung bei der Schwarzen Ecke ins Dunkle, bei der Weissen Ecke ins Helle zieht. Diese Mischung mit den Grauwerten kann man nun mit jedem Punkt des Farbkreises vornehmen und folglich theoretisch unendlich viele Farbdreiecke erzeugen, so dass wir uns die Systematik der Farben räumlich, in einem Doppelkegel, vorstellen können: Die obere Spitze ist weiss, die untere schwarz, und die Periferie des Basiskreises ist der Farbkreis.

Im allgemeinen erscheinen uns jene Farben als zusammenpassend, die entweder im selben Farbdreieck liegen oder deren Grauanteile etwa gleich sind, wobei das Verhältnis von Weiss und Schwarz variieren kann. In diesem zweiten Fall sind die als passend empfundenen Farben gleich weit von der Schwarz-Weiss-Achse (Grausäule) des Doppelkegels entfernt, befinden sich aber in einem andern Farbdreieck. In den beiden Extremfällen handelt es sich einerseits um die reinen Grauwerte, im andern um die reinen Farben des Farbkreises. Eine weitere Regel besagt, dass leuchtendere Farben eher für kleinere, gedämpftere Farben eher für grössere Flächen benutzt werden. Der Künstler macht natürlich von diesen Gesetzmässigkeiten intuitiv Gebrauch, d. h. ohne bewusst daran zu denken, und sein Farbensinn ist so weit ausgebildet, dass er sich auch jeden Verstoss gegen diese drei Regeln leisten kann.

Ob jemand über einen gut entwickelten Farbsinn verfügt, zeigt sich z. B. in der Art, wie er sich kleidet, wie er seine Wohnräume gestaltet oder seine Hausfassade bemalt. Wer beispielsweise sein Haus knallig violett anstreicht oder seine Küchenkasten postgelb belegt, beweist, dass ihm die Gesetzmässigkeiten bei der Farbgebung nicht sonderlich geläufig sind. Zwar wird das, was ich eben erwähnte, von Zeit zu Zeit Mode, aber gerade weil es bloss Mode ist,  verschwindet es  zumeist rasch wieder.

Weitere Kriterien

Farbe und Form sind die wichtigsten beiden formalen Kriterien bei der Beurteilung eines Bildes, und alle im folgenden noch eigens erwähnten stehen in irgend einem Zusammenhang mit diesen beiden.

Wie in jedem Musikstück, so findet sich auch in jedem Bild ein ihm eigener Rhythmus. Handelt es sich aber in der Musik um zeitliche Abfolgen, so ist der Rhythmus in einem Bild eine räumliche Erscheinung. Es geht dabei um eine gewisse Gesetzmässigkeit in der Gliederung des Raumes, die auf Wiederholung und Variierung bestimmter Raum- bzw. Form-Elemente beruht. Die Fragen, die sich der kundige Kunstbetrachter stellt, sind etwa die folgenden: Ist der Rhythmus konsequent durchgeführt? Wirkt er langweilig oder anregend? Steht er im Einklang mit den übrigen formalen Kriterien und der Bildidee? Aber auch diese Fragen nützen wenig, wenn man die Sache nicht sieht und nicht ein Gespür für das Gute und Richtige ausgebildet hat.

Je kleiner und zahlreicher die rhythmischen Elemente werden, desto mehr nähert sich der Rhythmus dem an, was man als Struktur bezeichnet. Strukturen kommen in Gemälden oft durch die ganz bestimmte Art der Pinselführung zustande. So kann jeder Kunstkenner ohne weiteres drei Ausschnitte aus ihm unbekannten Bildern von Cézanne, van Gogh und Pissarro zweifelsfrei zuordnen.

In der frühen Renaissance wurden die Gesetzmässigkeiten der Perspektive entdeckt, und so war es über Jahrhunderte das Anliegen der meisten Maler, in ihren zweidimensionalen Bildern den Eindruck der dritten Dimension (Tiefe) zu erwecken. Für den Kunstbetrachter ist es immer reizvoll, darauf zu achten, wie der Maler den Eindruck von Raum erzeugt und seine Räume gestaltet. In der gegenwärtigen Kunst ist das Bedürfnis, Raum vorzutäuschen, sehr stark zurückgetreten. Das hängt u. a. damit zusammen, dass viele Künstler ganz bewusst nicht „etwas auf dem Bild“ darstellen, sondern „ein Bild schaffen“ wollen. Und da eben das Bild an sich zweidimensional ist, fällt dann der Einbezug der dritten Dimension fast zwangsläufig weg.

Insbesondere im Barock bemühten sich die Maler darum, das Spiel von Licht und Schatten mit dem Malpinsel auf die Leinwand zu zaubern. Rembrandt und Vermeer waren hierin die grossen Meister. Vielen Bildern wird der Betrachter nur gerecht, wenn er auf die besondere Art der Lichtführung achtet. In der modernen Kunst sind es vor allem die Schwarz-Weiss-Fotografen, die mit diesem Stilmittel arbeiten.

Mit der Hinwendung des Menschen zur Natur in der frühen Renaissance und damit der Beschäftigung mit der Anatomie des menschlichen Körpers wurden in den Werken der Maler die Körperbewegungen immer wichtiger. Man wird z. B. Zeichnungen oder Marmorstatuen eines Michelangelo nicht gerecht, wenn man nicht auf die Bewegtheit des menschlichen Körpers und auf Michelangelos geniale Kunst, diese darstellen zu können, achtet.

Insbesondere bei älteren Bildern lohnt es sich immer auch, auf das handwerkliche Geschick des Künstlers zu achten, mit welchem er die Gegenstände auf die Leinwand zaubert. Wie z. B. ein Jan van Eyck eine Ritterrüstung zu metallischem Glänzen bringt oder wie ein Sebastian Gutzwiler auf Plüsch- und Sammetstoff das Licht spielen oder ein Arnold Böcklin eine Muse in Goldbrokat kleiden kann, ist immer erregend, auch wenn man sich dessen bewusst bleibt, dass diese Virtuosität allein noch kein Kunstwerk ausmacht.

Zurück zu den Inhalten

Natürlich stehen all die erwähnten formalen Kriterien immer im Dienste der Bildidee, und wenn im Bild ein konkreter Inhalt dargestellt ist (was ja die Regel ist), so gilt es, das Formale und das Inhaltliche in ihrem wechselseitigen Bezug zu entdecken und zu würdigen. Betrachtet man ein Bild unter inhaltlichem Aspekt, so sind wohl die folgenden leitenden Fragen hilfreich:

  • Was ist überhaupt auf dem Bild da? Verstehe ich alle Einzelheiten?
  • Handelt es sich um eine Auftragsarbeit, oder hat es der Künstler aus eigenem Antrieb gemalt?
  • Wenn Menschen dargestellt sind: Wer ist es? Welchen Bezug zu ihm hatte der Maler? Weshalb hat er ihn gemalt? Was drückt das Gesicht, die Haltung aus?
  • Beruht das Bild auf einem geschichtlichen Ereignis, hilft es mir zu einer historischen Erkenntnis?
  • Gibt es verborgene Symbole zu entdecken?
  • Welche Stimmung, welche Atmosphäre vermittelt das Bild?

Wie werde ich Kunstsachverständiger?

Wie ich verschiedene Male betonte, ist es unmöglich, jemandem mittels der Sprache den Sinn für das Wesen der Kunst zu vermitteln, da man dies selber spüren muss. So stellt sich denn die Frage, wie man am besten zu diesem Gespür kommt. Nach meiner Überzeugung erreicht man dies am besten auf die folgende Weise:

  • Als erstes sollte man sich mit unbestrittenen Meisterwerken auseinandersetzen. Wer also Zugang zum Wesen der bildenden Kunst finden möchte, schmückt die Wände seiner Räume mit Vorteil mit Reproduktionen von Bildern grosser Künstler: Fra Angelico, Giotto, Raffael, Leonardo, Michelangelo, Dürer, Holbein, Bosch, Bruegel, Rembrandt, Vermeer, Goya, Turner, Corot, Manet, Cézanne, van Gogh, Gauguin, Munch, Beckmann, Marc, Picasso, Kandinsky, Klee – um nur ein paar wenige zu nennen. Reproduktionen sind heute recht billig zu haben.
  • Dann sollte man sich darum bemühen, mit einem oder einigen Künstlern in Kontakt zu treten und sich regelmässig mit ihnen über ihre Werke, ihren Entwicklungsgang usf. unterhalten. Interessant ist immer auch, was ein Künstler über andere Künstler sagt.
  • Des weitern gibt es heute eine gewaltige Zahl hervorragender Bildbände über jeden nur erdenklichen Maler, die man sich – teilweise sehr billig – kaufen oder in Bibliotheken entlehnen kann. Es empfiehlt sich, stets einen solchen Band in Griffnähe zu haben, möglichst täglich ein Bild näher anzusehen und auch die Texte dazu zu lesen.
  • Darüber hinaus ist es ratsam, auf die Dauer unerlässlich, sich das eine oder andere Werk der systematischen Kunstgeschichte vorzunehmen. Es gibt hier alles: relativ schmale Bände für Anfänger und Riesenwerke, die ganze Gestelle füllen.
  • Dann gibt es eine beträchtliche Anzahl von Kunstzeitschriften, die man – je nach Börse – abonnieren, am Kiosk kaufen oder in Bibliotheken leihen kann. Wer einen grosszügigen Götti hat, kann ihn vielleicht auf nächste Weihnachten zu einem Geschenkabonnement motivieren.
  • Der Kunstinteressierte ist auch ein Mensch, der regelmässig Kunstausstellungen besucht. Hier sind drei Typen zu unterscheiden:
  • Erstens gibt es in allen bedeutenden Städten öffentliche Kunstsammlungen mit permanent zu besichtigenden Werken bedeutender Künstler. Es lohnt sich, diese Sammlungen von Zeit zu Zeit zu besuchen und jeweils einige ausgewählte Werke genauer zu betrachten. Man wird dann entdecken, dass sich unsere Beziehung zu den verschiedenen Bildern und Malern verändert.
  • Zweitens führen die meisten dieser Kunsthäuser in einer gewissen Regelmässigkeit Sonderausstellungen durch; dabei tragen sie möglichst viele oder die aussagekräftigsten Werke einer bestimmten Kunstströmung oder eines einzelnen Malers zusammen und zeigen diese während mehreren Wochen oder Monaten.
  • Drittens gibt es hierzulande unzählige Kunstgalerien, in welchen die zeitgenössischen Künstler ihre Werke zeigen und zumeist auch zum Kauf anbieten. Anlässlich der Eröffnung (Vernissage) sagt jemand zumeist etwas über den Künstler und sein Werk, weshalb es sich lohnt, daran teilzunehmen. Ein Teil dieser Galerien bietet von Zeit zu Zeit auch Werke von verstorbenen Künstlern zum Kaufe an.
  • Und schliesslich ist natürlich jeder gute Zeichenunterricht geeignet, das Gefühl für das Echte und Gute im angehenden Kunstfreund zu entwickeln. Selber tun ist auch in diesem Gebiet sehr förderlich.

Weitere Themen: