Arthur Brühlmeier

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Emilia Verena Brühlmeier, die unbekannte Dichterin (StB 391)

Des Bierbrauers dritter Tochter Verena, die anno 1954 im St. Bernhard 90jährig starb, sind wir bis jetzt als Informantin von Eduard Spiegelberg begegnet. In seinem Nachlass in Aarau befindet sich denn auch ein Brief von ihr vom 2. Jan. 1944 aus Bern, der belegt, dass sie mit ihm nicht erst in Kontakt kam, als sie ins Altersheim nach Wettingen übersiedelte. Dem Brief ist zu entnehmen, dass sie ihm drei Fotografien schickte, eine von Alberik Zwyssig, eine mit ihrem Vater und Sigmund Berz (gemacht während des Siebzigerkrieges) und eine mit „Mooslehrer“ Egloff (Christoph Benz, Sohn von August Benz aus dem Mooshof, teilte mir am 28. 6. 2020 folgendes mit: „Der Ausdruck „Mooslehrer“ kommt fraglos vom Bauernhof „Moos“, wo Joseph Leopold Egloff die meiste Zeit seines Lebens wohnte“) und seiner Schulklasse aus dem Jahr 1873. Sodann ist zu erfahren, dass ihr Eduard Spiegelberg ein Schulheft geschickt hatte, offensichtlich in der Hoffnung, sie würde ihm so viel wie möglich von alt Wettingen erzählen. Jedenfalls verspricht sie: „Das von Ihnen frdl. zugesante Heft werde ich später einmal ausfüllen, so ich noch lebe.“ Immerhin sollten ihr noch 10 Jahre vergönnt sein, weshalb anzunehmen ist, dass sie einiges aufgeschrieben hat. Das Heft selbst liegt allerdings nicht im Brühlmeier-Dossier des Spiegelberg-Nachlasses. Sollte sie es je benutzt haben, wird es vermutlich mit allem andern „Gerümpel“ nach ihrem Tod entsorgt worden sein.

Dass nicht nur, wie oben zu vernehmen war, Maria begabt war, sondern auch ihre Schwester Verena, bezeugt ein entzückendes Gedicht, das sie Eduard Spiegelberg überlassen hat. Es ist nicht nur handwerklich, d.h. hinsichtlich Reim und Rhythmus nach den Regeln der Kunst geraten, sondern verrät auch ein tief erlebendes Gemüt und eine starke Bindung an ihre Heimat:

Heimat

Und wieder einmal zog es mich dort hin,
Wo mir der Jugend schönster Morgen lachte.
Ich zog durch Feld und zog durch Fluren hin
Und wusst‘ nicht, ob ich träumte oder wachte.

Hier, wo der Limmat blaue Wellen fliessen,
Im Tägerhard die hohen Tannen rauschen,
O, welch ein Flüstern, welch bekanntes Grüssen
Von jenen Tagen, die so süss zu lauschen.

Ich seh‘ die Geisswies dort im Sonnenschein
Mit ihren saft’gen Matten, grünen Bäumen,
Und fröhlich kehr‘ ich dorten wieder ein
Und freue mich in ihren duft’gen Räumen.

Doch ist des Bleibens Zeit mir kurz bemessen
Und weiter muss ich, wieder weiter gehn,
Und mancher Stelle, wo ich einst gesessen,
Zu bringen noch ein frohes Wiedersehn.

Schon bin ich auf dem Sulzberg angekommen
Und bin grad dort, wo die Kapelle steht,
Und habe mich gesammelt und begonnen
Zur lieben Gottesmutter mein Gebet.

Ich seh‘ das Dorf im schönsten Lenze prangen,
Und die Erinn’rung hält mich tief im Bann,
Und durch die Zeiten, die dahin gegangen,
Blickt lächelnd meine Jugendzeit mich an.

Das Äsch, das Moos in schönster Frühlingsblüte,
Der Herternhof winkt durch den Abendwind,
Dort, wo Grossvater seine Felder pflügte
Und wo die Meinen einst gewandelt sind.

Verlockend steht die Lägern gegenüber:
Komm her zu mir, durchstreife meine Höhn,
Ich schenk‘ dir alle meine Blumen wieder,
Du weisst, sie duften reich und sind so schön.

Dahin! Dahin! Ihr selig frohen Stunden,
Die Kindheit ist ein kurzer Augenblick,
Kaum, dass sie zu uns kommt, ist sie entschwunden.
Nur in Erinn’rung bleibt sie uns zurück.

Es sinkt die Sonne hinter Bergen nieder
Und wirft aufs Dorf noch ihren letzten Strahl,
Von Ferne tönen schöne Frühlingslieder
Und ihre Weise klingt: Es war einmal!

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