Arthur Brühlmeier

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Maria Brühlmeier, Kind mit besonderem Schutzengel (StB 426)

Eduard Spiegelberg muss der alternden Verena Brühlmeier im Altersheim St. Bernhard mit viel Interesse und Geduld zugehört haben, und gewiss verdanken wir die folgende spannende Geschichte seiner Fähigkeit zum schnellen Stenographieren. Er betitelt sie mit „Maria Brühlmeier von Wettingen und die mysteriöse Madame Damelin, eine Mädchenhändlerin 1876“.

„Maria Brühlmeier ist als älteste Tochter des Bierbrauers Kaspar Leonz Brühlmeier im Februar l862 in Wettingen geboren worden. Sie besuchte die Gemeindeschule des Dorfes und hierauf die Bezirksschule in Baden, die sie mit gutem Erfolg absolvierte. Nebenbei erhielt sie beim damaligen Wettinger Lehrer Daniel Moser, der den Kirchenchor leitete, Klavierunterricht. Man hörte sie gerne beim Spiel und mit noch mehr Freude bei der Rezitation eines Gedichtes. Als sie l876 ihre Schulzeit beendigt hatte, erschien im Badener ein Inserat folgenden Inhalts: ‚Eine Dame aus Paris sucht eine brave rechtschaffene Tochter zu ihrer täglichen Bedienung und sie hätte hiebei Gelegenheit, die französische Sprache zu erlernen. Offerten an Madame Damelin, Hotel Limmathof, Baden‘. Auf das Inserat ging eine grössere Anzahl Offerten ein. Maria Brühlmeier war die Auserkorene. Da die Dame noch einige Zeit in Baden verblieb und unterdessen noch Verschiedenes für die Abreise besorgt werden musste, kam sie hie und da auch nach Wettingen. Vater Brühlmeier, welcher der Brauerei und Wirtschaft vorstand, die er am Platze des heutigen Casinos betrieb, liess sie stets gut servieren und bedienen, denn man hielt sie tatsächlich für eine vornehme Frau. Nachdem sie die Maria noch mit verschiedenen Kommissionen und Einkäufen beauftragt hatte, bestimmte sie den Tag der Abreise nach Paris. Es war ein schöner Sommertag Ende August des Jahres l876, und im Hause der Familie Brühlmeier herrschte eine fast wehmütige Abschiedsstimmung. Vater Brühlmeier rückte mit seiner Maria aus, um sie noch bis Basel zu begleiten. Madame Damelin hatte am Tag vor ihrer endgültigen Abreise einen Abstecher an den Vierwaldstättersee unternommen und kam von Luzern her zur vereinbarten Zeit in Basel an. Da geschah etwas Unerwartetes. In dem Augenblick, da die Damelin sich anschickte, mit Maria den Pariserzug zu besteigen, traten ihr plötzlich zwei Detektive in den Weg und fuhren sie in strengstem Tone an: ‚Wo wollen Sie hin mit diesem jungen Mädchen?‘ ‚Sie ist meine Reisebegleiterin‘ gab sie zur Antwort. Die Polizisten geboten: ‚Nein, sie ist nicht Ihre Reisebegleiterin, sie bleibt bei ihrem Vater. Wir kennen Sie und wissen ganz genau, wer Sie sind und was Sie beabsichtigen.‘ Die Frau protestierte ganz energisch und drohte, diese Angelegenheit nicht auf sich beruhen zu lassen. Sie sagte: ‚Was meinen Sie, was man im Limmathof in Baden zu dieser Sache sagen wird? Ich werde in mein Hotel zurückgehen, und morgen wollen wir sehen, was der Richter dazu sagt.‘ ‚Nur los‘, sagten die beiden Geheimpolizisten. Vater Brühlmeier und seine Tochter verbrachten die Nacht in Basel, um am nächsten Morgen die Dinge abzuwarten. Allein am folgenden Tag war die Madame Damelin in ganz Basel nicht mehr zu finden und auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Zu Hause erwarteten die Mutter und die Geschwister die Rückkehr des Vaters. Wie erstaunt waren sie aber, als er die Maria wieder mitbrachte und sie erfahren mussten, was sich inzwischen zugetragen hatte. Die ‚Basler Nachrichten‘ berichteten über dieses Vorkommnis und betonten, wie wichtig es sei, in so schwerwiegenden Angelegenheiten Informationen einzuziehen. Als die Mutter ihre heimgekehrte Tochter fragte, was sie gemacht hätte, wenn sie in Paris in schlechte Hände gefallen wäre, erklärte diese: ‚Ich habe nicht umsonst vor meiner Abreise in inständigen Gebeten die Muttergottes um Hilfe und Schutz angerufen. Wenn es ganz schlimm gekommen wäre, dann hätte ich mir mit einer Haarnadel eine Ader geöffnet, oder mit meinen Zähnen eine aufgebissen.“ Noch lange erzählte man in Wettingen von dieser Begebenheit. Die Maria kam dann nach Lausanne zu einem Witwer namens Benz, der mit Brühlmeier befreundet war. Er war der einzige Sohn eines Bruders von Metzger Benz, dessen Familie heute ausgestorben ist. Er ging als junger Bursche ins Welschland, eignete sich die französische Sprache an und arbeitete sich erfolgreich in der Hotellerie empor, so dass er Direktor des ‚Cercle de Beau Sejour‘ in Lausanne wurde. Maria hat dort seitens dieses Mannes eine freundliche Aufnahme und väterliche Hilfe erfahren, so dass sie später stets mit Hochachtung von ihm sprach. Während des zweijährigen Aufenthaltes starb der Mann. Aus Dankbarkeit und Verehrung für ihn wachte sie eine Nacht an seinem Sarge. – Nachher widmete sie sich weiter dem Hotelberuf, diente in Luzern, auf der Rigi und im Berner Oberland. Während eines Winters, den sie in der Innerschweiz verbrachte, zog sie sich eine Erkältung zu, an deren Folge sie dann mit 21 Jahren (l883) sterben musste. Ihr früher Hinschied wurde im ganzen Dorf tief betrauert. Der gute Pfarrer Jos. Koch, der während der Krankheit und im Sterben bei ihr war, hat sich mit tröstlichen Worten geäussert: ‚Es sollte jedes junge Mädchen so schön sterben können, wie Maria Brühlmeier.‘ „

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