Arthur Brühlmeier

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Werner Bergengruen: Der Apfel

Versuch einer Deutung

In seinem Märchen „Der Apfel“ trägt Werner Bergengruen  zuerst die folgende Parabel vor:

„Es hob sich über einer Mauer der Zweig eines Apfelbaumes, an welchem ein einziger Apfel hing; dieser Apfel war von wunderbarer Färbung, und seine Gestalt war die einer durchaus vollkommenen Kugel. Drei Leute kamen nacheinander an der Mauer vorbei, sahen hinauf und erblickten den Apfel. Der erste dachte: Dies ist eine herrliche Frucht. Ihr Duft ist süss, und ihr Fleisch mag weiss und sehr fest sein. Glücklich die Hand, die den Apfel brechen, und die Zunge, die ihn kosten wird.

Der zweite dachte: Vieler Dinge hat es bedurft, um diese Frucht werden zu lassen, wie sie geworden ist: eines wilden Urbaumes, eines edlen Pfropfreises, der Erfahrung mancher Menschengeschlechter, Gärtnerfleisses und gärtnerischer Kunst, geeigneten Erdbodens, sodann Sonnenscheins und Regens – beides zu seiner Zeit – und über allem: einer grossen Geduldigkeit.

Der dritte dachte: Dieser Apfel ist rund wie die Weltkugel und schönfärbig wie sie. Als eine Frucht hing die Weltkugel am Baume, umschliessend alle Reiche und ihre Herrlichkeit; unsere Erzeltern haben von ihr gegessen. Wer berufen ist, wird ein Teilhaber der Herrschaft sein und den Reichsapfel wiegen auf dem Teller seiner Rechten; gleichwie das Kind der Jungfrau nach dem Apfel in der Hand der Mutter griff und ihn spielend wog auf seiner Handfläche; denn so haben es die Meister gemalt.

Wie nun der Apfel für jeden der drei Leute eine verschiedene Bedeutung hatte, so hat eine dreifache Bedeutung auch meine Geschichte, nämlich eine wörtliche, eine sittliche und eine mystische.“

Dann folgt das Märchen, das ich im Deutschunterricht der 1. Seminarklasse (16jährige Burschen) während vielen Jahren als Diskussionsgrundlage benutzte, um eine sog. „mystische Deutung“ zu versuchen und dabei einerseits exemplarisch das Wesen des Symbolhaften in der Literatur, andererseits die von Bergengruen vertretene christliche Welt-Anschauung sichtbar zu machen. Im letzten Jahr meiner Tätigkeit schrieb ich zusammenfassend das auf, was sich im Laufe der Beschäftigung mit diesem Text als „mystische Deutung“ allmählich herauskristallisiert hatte. Selbstredend ist dieser Aufsatz sehr persönlich, weshalb ich ihn nicht publiziere, sondern jenen zu schicken bereit bin, die sich für Märchendeutung einerseits, für christliche Mystik andererseits interessieren.

Bestellen: Text von Werner Bergengruen „Der Apfel“ sowie meine Deutung.

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