Arthur Brühlmeier

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Arthur Brühlmeier
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Napoleon – sonst nicht mein Freund – soll gesagt haben: „Soignez le detail!“ Das halte ich für einen guten Satz. Die Arbeit eines Lehrers besteht eigentlich aus tausend Details, und jedes Mal kommt es darauf an, dieses Detail als Teil des Ganzen zu erkennen und es dementsprechend zu gestalten. Das gelingt wohl erst dann, wenn man es sich angewöhnt, jedes Detail – bei aller notwendigen Distanz – ernst und wichtig zu nehmen und dementsprechend gründlich darüber nachzudenken. Für einen Nicht-Schulmeister mag es überspitzt tönen: Wenn ich den Kindern zeige, dass der Punkt auf dem i als kleines Strichlein in der Verlängerung des Buchstabenkörpers von oben nach unten gezogen wird, gibt es in diesem Augenblick für mich als Lehrer nichts Wichtigeres auf der Welt als eben diese Sorge. Dieser Aussage liegt die Erfahrung und Überzeugung zu Grunde, dass eine solche pädagogische Grundhaltung bei den Schülern eine Haltung der inneren Sicherheit und damit eine Atmosphäre der Lernwilligkeit erzeugt oder zumindest begünstigt. Sie spüren, dass nicht alles gleichwertig oder gleichgültig ist, sondern dass wir Menschen in allem, was wir tun, einem wie immer auch gearteten Anspruch genügen müssen. Dies gilt nach wie vor auch im Berufsleben, wo man allgemein das Ernstnehmen der Details fordert, weil sich letztlich jeder komplexe Handlungsablauf aus einer Vielzahl von Details zusammensetzt. Wir leisten daher unsern Schülern einen schlechten Dienst, wenn wir sie der Illusion überlassen, es komme nirgends so genau drauf an und die Hauptsache sei, dass man jedem Aufwand aus dem Wege gehen könne.

Im Sinne dieses Anliegens gestatte man mir, diese grundsätzlichen Erwägungen zu vervollständigen mit einer Reihe konkreter Beispiele. Vorausschicken möchte ich indessen, dass ich mir den hypothetischen Lehrer, der in den folgenden Beispielen als pedantischer Griesgram erscheinen könnte, durchaus vorstelle als lebensfrohen, humorvollen, grosszügigen und freundlichen Menschen, der seine Schüler mit seiner Detailverliebtheit nicht plagt oder gar schikaniert, sondern damit einen Beitrag leistet, dass sie ihre Arbeit lieben und gerne zur Schule kommen. Ein solcher Mensch fragt sich z.B., ob er seine Schüler nicht mit unnötigen Geräuschen stört, wenn er papierne Blätter vor dem Wurf in den Abfall zerknüllt oder zerreisst, oder ob er vor dem Verlassen des Schulzimmers nicht noch das Pult aufräumen soll. Er schreibt auf Tafel und Hellraumprojektor mit jener Schrift, die er von den Schülern erwartet, achtet darauf, dass die unvermeidlichen Arbeitsblätter nicht bloss sorgfältig gestaltet, sondern ebenso aufbewahrt werden, und zeigt den Schülern, wie sich in der Garderobe Ordnung halten lässt. Abgenutzte Kreidestummel entfernt er, die Schüler haben stets geschärftes Schreibzeug in Bereitschaft, und die Sprache, die er selber wählt und bei den Schülern begünstigt, zeugt von Respekt und Herzlichkeit. Weitere Beispiele zu machen, erspare man mir. (Ich fühle mich verstanden …)

Eine Frage sei noch gestattet: Wie kann man eigentlich auf die Idee kommen, man könne mit teuren System-Umbrüchen, mit der Propagierung sog. moderner Unterrichtsmethoden (die sehr bald nicht mehr modern sind) oder mit weitschweifigen Qualitätssicherungssystemen die Bildungsqualität verbessern, wenn man glaubt, die oben erwähnten Selbstverständlichkeiten (bzw. die Denkweise, aus der sie entspringen) missachten zu können?

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