Arthur Brühlmeier

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Reflexionen über Wertbewusstsein, Form und Gehalt, innen und aussen

Zur Steigerung des Qualitätsbewusstseins sind grundsätzlich zwei Leistungen erforderlich: Vorerst muss man höhere Qualität von geringerer unterscheiden können. Das tönt banal, kann aber im einzelnen Falle schwierig sein. Das Zweite ist noch schwieriger: Man muss die Entschlossenheit und die Kraft aufbringen können, sein Verhalten nach diesen Erkenntnissen auszurichten.

Solche grundlegenden Zusammenhänge kann man übrigens auch im Schulunterricht bewusst machen. Um im ersten Punkt zu einiger Klarheit zu kommen, habe ich einmal mit meinen Schülern (16-jährige Seminaristen, aber es geht auch mit jüngeren) folgende Übung gemacht: Wir sammelten möglichst viele Eigenschaftswörter, welche das Wesen eines Sachverhalts oder das Verhalten eines Menschen charakterisieren, und wählten dann alle aus, die eine Wertung enthalten. Solche sind z.B.: rücksichtsvoll, böse, einsichtig, oberflächlich, zuverlässig, faul, sensibel, unbeherrscht, geordnet. (Nicht offensichtlich wertend sind z.B.: rot, eben, gespannt, geschlossen etc.) Dann suchten wir zu jedem der erfassten Eigenschaften jene Adjektive, die ungefähr das Gegenteil ausdrücken, und jeder Schüler fragte sich bei jedem Paar: Wenn ich von Ausnahmen absehe – welche der beiden Seiten halte ich ganz allgemein für wirklich erstrebenswert? Bezeichnenderweise stimmten in ihren Beurteilungen alle miteinander überein. Auch wenn ich nicht bestreite, dass sich in dieser Übereinstimmung auch gesellschaftlich bestimmte Erziehungseinflüsse und ein bestimmter Zeitgeist ausdrücken können, ist für mich diese einhellige Wertung doch ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Wertbewusstsein im Menschen liegt und eigentlich als Ausdruck seiner Geistigkeit begriffen werden kann.

In einem weiteren Schritt mussten sich die Schüler vorstellen, sie hätten sich für die Verwirklichung der jeweils beiden Seiten eines Paares einzusetzen, und mussten sich dann fragen, welche Seite mehr Kraft, guten Willen, Entschlossenheit, Energie erfordert. Interessanterweise war es meistens jene, die als erstrebenswert gehalten wurde, was – nebenbei bemerkt – ein Licht darauf wirft, weshalb die Welt so ist, wie sie ist.

Vermutlich käme man bei dieser Übung auf dasselbe Resultat selbst bei solchen Werten, die heute oft, wenn sie erwähnt werden, sichtlichen Widerstand auslösen, obwohl ohne deren Beachtung an eine Verbesserung der Bildungsqualität nicht zu denken ist. Es handelt sich konkret um Werte wie: Zuverlässigkeit, Gründlichkeit, Ausdauer, Ordnung, Sorgfalt, Liebe zum Detail, Anstand, Sauberkeit, Gewissenhaftigkeit, Höflichkeit, Ruhe. Es ist heute schwierig geworden, die Bedeutung dieser Werte zur Sprache zu bringen, weil man sehr rasch auf eine unfaire Weise verdächtigt und in völlig unmögliche politische Zusammenhänge gebracht wird. Natürlich ist eine Welt, wo bloss diese Werte gelten und wo diese mit Macht durchgesetzt werden, dem Leben abhold und darum abstossend. Die Frage stellt sich aber anders: Ist das jeweilige Gegenteil erstrebenswert? Ist ganz allgemein Unordung, Chaos, lebensdienlicher als Ordnung? Schätzt man überhaupt je einen Menschen wegen seiner Unzuverlässigkeit oder wegen seiner Unfähigkeit, sich über längere Zeit für einer Sache einzusetzen? Kann es ein Ziel sein, die Schüler zur Oberflächlichkeit und Unsorgfältigkeit anzuleiten? Sind unanständige, verschmutzte, gewissenlose und abweisende Menschen wirklich besonders liebenswürdig oder besonders glücklich? Und schliesslich auch: Sind oder werden wir Menschen tatsächlich besser, wenn um uns herum ein möglichst grosser Lärm herrscht?

So sei denn das so Selbstverständliche ausgesprochen: Die gesamte Qualität der Schule wird sich erhöhen, wenn man sowohl von sich selbst wie auch von den Schülern mit einiger Konsequenz verlangt, die geltenden Regeln wirklich zu beachten, die vereinbarten Zeiten einzuhalten, jede Arbeit mit der erforderlichen Gründlichkeit und Sorgfalt zu erledigen, einander aufmerksam und höflich zu begegnen, seine Siebensachen in Ordnung zu halten, Körper und Kleidung zu pflegen und unnötigen und übermässigen Lärm zu vermeiden. Dadurch kommt in die Lern- und Lebensgemeinschaft – denn das ist eine Schulklasse – so etwas wie Haltung, Ernsthaftigkeit, Stabilität, Verbindlichkeit. Solange alles gleichwertig bis gleichgültig ist und jede Verbindlichkeit vermissen lässt, solange Beliebigkeit und Orientierungslosigkeit das Feld beherrschen, jede Ungehaltenheit toleriert wird, solange bleibt jene Atmosphäre aus, die wirkliche Bildung begünstigt.

Da höre ich den ersten Einwand: Gilt dir Kreativität, Phantasie, Spontaneität nichts? Meine Antwort: Sehr viel sogar, und zwar so viel, dass ich jene Bedingungen schaffen will, in denen sie sich nicht bloss zum Schein, sondern wahrhaft entfalten können. Ich bestreite, der Mensch ganz allgemein (es mag ja einige Ausnahmen geben) sei um so schöpferischer, je grösser die Unordnung und der Lärm ist in seiner Umgebung, je salopper er mit seinen Mitmenschen umgeht und je weniger er sich an irgend eine getroffene Vereinbarung hält.

Und schon folgt der zweite Einwand: ‚Deine Ruhe und Ordnung’ (hört man den abwertenden Unterton?), deine Zuverlässigkeit, Sorgfalt, Pünktlichkeit, Höflichkeit und Gründlichkeit sind ja bloss leere Formen ohne Inhalt, erzwungen und aufgesetzt und haben für sich keinen Eigenwert. Darauf gehe ich gerne ein. Dabei muss ich zuerst auf das Begriffspaar ‚Form und Gehalt’ zu sprechen kommen, das die Philosophen über Jahrhunderte hinweg zum Nachdenken veranlasst hat. ‚Gehalte’ insgesamt sind Manifestationen eines schaffenden Geistes. Und je weitsichtiger, spürsicherer, sensibler, kreativer dieser schaffende Geist ist, desto gewichtiger sind die Gehalte, die sein geistiges Sein als Spur hinterlässt. Solche Gehalte sind z.B. Kunstwerke, spielerische Lebensäusserungen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Rechtsetzungen, Machtäusserungen, Sprachäusserungen jeglicher Art, aber auch irgendwelche materiellen Produkte. Zu den ‚Gehalten’ gehört natürlich auch die ungeheure Vielfalt der natürlichen Phänomene, diese als Manifestationen eines schaffenden göttlichen Geistes.

Nun gelingt uns Menschen eine Kontaktnahme und damit auch eine Auseinandersetzung mit diesen Gehalten nur darum, weil sie sich alle in einer Form realisieren. Niemals kann ‚Gehalt’ in Erscheinung treten, ohne sich seine ‚Form’ zu geben. Wollen wir Zugang zu irgend einem Gehalt finden, müssen wir uns auf die Form einlassen, in der allein der Gehalt erfahrbar werden kann. Gehalt ohne Form – undenkbar.

Leider lässt sich der Satz nicht umkehren, denn Form ohne Gehalt ist sehr wohl denkbar. Man kennt das aus dem Alltag: Die Umgangsformen sind perfekt, aber sie sind sinnentleert, verlogen. Die Pinselstriche sitzen, aber wenn man suchend klopft, ertönt Leere. Die Regeln werden eingehalten, aber dem Leben zu dienen vermögen sie nicht. Das System funktioniert, bloss weiss niemand mehr, wozu es gut sein soll. Der Brauch erheischt seinen Aufwand, aber der tragende Gedanke ist weg. Gebete werden gesprochen, Lieder gesungen, Sprüche rezitiert, aber alles ist leeres Geleier. Und besonders modern: Der Text ist perfekt formatiert, die Schriften sind dezent gewählt, die Bildchen findig von der Clipart-Scheibe geholt, nur: Alles ist ödes Geschwätz. Solche Erfahrungen machen es schwer, an die These zu glauben, Form und Gehalt seien identisch.

So widersprüchlich es scheint: Der Gehalt sucht sich seine Form, aber die Formen neigen dazu, den Gehalt aufzufressen. Zurück bleiben leere Hüllen. Diese machen sich über Gebühr breit, zeichnen sich aus durch grosses Beharrungsvermögen und verteidigen gegen jedes neue Leben ein breites Feld der Sinn-Entleertheit. Daher rührt auch der schlechte Ruf der blossen Formen. Aber man überreisst die Skepsis gegenüber den Formen, wenn man ihnen ihr Dasein verwehren will. Was not tut, ist die Aufmerksamkeit auf ihre Echtheit, auf ihre Berechtigung, auf ihre Notwendigkeit, auf ihre Übereinstimmung mit dem zugehörigen Gehalt. Formen sind stets zu hinterfragen, ob sie ihrer Aufgabe gerecht werden, Gehalte zu ‚enthalten’. Und stellen wir hier ein Missverhältnis fest, hilft nicht weiter, die Formen an sich zu verwerfen. Vielmehr gilt es zu wählen zwischen zwei positiven, gleichermassen berechtigten Möglichkeiten: Entweder holen wir den ursprünglichen Gehalt wieder in seine Form zurück, oder wir suchen nach neuen Formen, die die gewünschten Gehalte angemessen zur Erscheinung bringen können. Formlosigkeit indessen ist kein Ausweg.

Ist von ‚Form’ und ‚Gehalt’ die Rede, gerät fast unwillkürlich auch die Dualität ‚aussen’ und ‚innen’ in den Blick, obwohl natürlich eine simple Gleichsetzung nicht statthaft ist. Heute ist die Ansicht verbreitet, ein ‚Aussen’, eine ‚Äusserung’ habe nur insofern eine Berechtigung, als diese(s) auf einem ‚Innen’, auf ‚Innenleben’ gründet. Die Devise lautet: Zuerst ein dankbares Gemüt, dann sprich den Dank aus! Zuerst eine fröhliche Gestimmtheit, dann sing dein Lied! Zuerst eine friedvolle Gesinnung, dann fass den Nachbar bei der Hand! Zuerst ein echtes Interesse, dann greif zum Buch! Zuerst ein gläubiges Herz, dann bete oder geh zur Kirche! Zuerst Verständnis z.B. für einen Rechenvorgang, dann wage dich an Lösungsbeispiele!

Ich glaube auch, dass dies der ideale Weg ist. Man beruhige seine Schüler in ihrem Gemüt, und sie werden sich in Ruhe ihrer Arbeit, ihrem Spiel, ihrem Lernen hingeben! Man lehre die Kinder, Ordnung in ihrem Denken zu haben und zu schätzen, und es wird einem leichter fallen, sie zu äusserer Ordnung anzuhalten! Man entwickle in seinen Schülern die Achtung vor dem Mitmenschen, und sie werden sich rücksichtsvoll und höflich benehmen! Man entfalte in ihnen auch einen liebenden Umgang mit den Dingen, und sie werden sich freuen, wenn ihnen eine sorgfältig gestaltete Arbeit gelingt! Man öffne ihnen die Augen für die Schönheiten von Pflanzen, Tieren und Landschaften, und sie werden diese schützen und keinen Abfall mehr liegen lassen! Man lehre sie die Wahrheit lieben, und sie werden sich bereit finden, alles, was sie anpacken, gründlich und gewissenhaft zu tun! So weit, so gut.

Aber: Hat das Umgekehrte nicht auch seine Berechtigung? Entwickelt ein kleines Kind nicht allmählich in sich die Haltung der Dankbarkeit, indem man es dazu anhält, schlicht und einfach für jede Hilfe und Handreichung ‚danke’ zu sagen? Lernt man nicht auch seine Gedanken ordnen, wenn man daran gewöhnt wird, Schraube zu Schraube, Bleistift zu Bleistift und Buch zu Buch zu legen? Entwickelt sich nicht mit der Zeit der Sinn für das ästhetisch Ansprechende, wenn man dazu angehalten wird, sauber zu schreiben, einen geschriebenen Text sorgfältig zu gestalten, deutlich und ausdrucksvoll zu sprechen und seinen Sachen Sorge zu tragen? Kehrt nicht langsam Ruhe ins Gemüt ein, wenn man einfach eine Zeit lang schweigt? Weicht nicht allmählich die (wie immer begründete) Bedrückung, wenn man sich dazu überwindet, am gemeinsamen Spiel teilzunehmen? Entwickelt sich nicht allmählich religiöses Innenleben, indem man regelmässig Heilige Schriften liest und Gebete spricht? Kann sich nicht vielleicht unser verhärtetes Herz dem Mitmenschen öffnen, wenn wir einfach auf ihn zugehen und ihm die Hand reichen?

In all diesen Fällen steht – teilweise vielleicht bloss scheinbar – das Äussere am Anfang, und das Innere folgt ihm. Man kennt die beiden Wege auch in der Psychotherapie: Die Tiefenpsychologen erhoffen sich Verhaltensänderungen durch die Bewältigung innerer Konflikte. Die Verhaltenstherapie arbeitet ‚aussen’, an den sichtbaren Verhaltensweisen, an dem, was die Tiefenpsychologen als Symptom verstehen. Zwar bekämpfen sich diese beiden Richtungen, aber Erfolge können beide aufweisen.

Übrigens war es kein Geringerer als Pestalozzi, der in seiner ersten pädagogischen Schrift – im Stanser Brief – aufgrund seiner Erfahrungen „die Angewöhnungen an die blosse Attitüde eines tugendhaften Lebens“ für erzieherisch besonders wirksam erkannte. Man gestatte mir, hier diese interessante Stelle zu zitieren. Nachdem er dargestellt hat, wie er in den Kindern Mitgefühl für Kriegsflüchtlinge erweckte, schreibt er:

„An diese Gefühle knüpfte ich ferner Übungen der Selbstüberwindung, um dadurch denselben unmittelbare Anwendung und Haltung im Leben zu geben. Eine organisierte Disziplin der Anstalt war freilich in dieser Rücksicht ebensowenig möglich. Auch sie sollte aus dem von Stufe zu Stufe sich ergebenden Bedürfnisse hervorgehen. Stille als Mittel, die Tätigkeit zu erzielen, ist vielleicht das erste Geheimnis einer solchen Anstalt. Die Stille, die ich forderte, wenn ich da war und lehrte, war mir ein grosses Mittel zu meinem Ziel, und ebenso die Festhaltung auf der körperlichen Stellung, in der sie da sitzen mussten. … Ich forderte unter anderem zum Scherz, dass sie während dem Nachsprechen dessen, was ich vorsagte, ihr Auge auf den grossen Finger halten sollten. Es ist unglaublich, was die Festhaltung solcher Kleinigkeiten dem Erzieher für Fundamente zu grossen Zwecken gibt. Ein verwildertes Mädchen, das sich angewöhnt, stundenlang Leib und Kopf gerade zu tragen, und die Augen nicht herumschweifen zu lassen, erhält bloss dadurch schon einen Vorschritt zur sittlichen Bildung, die ohne Erfahrung niemand glauben würde. Diese Erfahrungen aber haben mich gelehrt, dass die Angewöhnungen an die blosse Attitüde eines tugendhaften Lebens unendlich mehr zur wirklichen Erziehung tugendhafter Fertigkeiten beitragen als alle Lehren und Predigten, die ohne Ausbildung dieser Fertigkeiten gelassen werden. Auch war die Gemütsstimmung meiner Kinder durch Befolgung dieses Grundsatzes offenbar heiterer, ruhiger und zu allem Edlen und Guten bereiteter, als man dieses bei der ganzen Leerheit ihrer Köpfe in allen Begriffen des Guten hätte vermuten sollen. … Ich habe meinen Kindern unendlich wenig erklärt; ich habe sie weder Moral noch Religion gelehrt; aber wenn sie still waren, dass man eines jeden Atemzug hörte, dann fragte ich sie: Werdet ihr nicht vernünftiger und braver, wenn ihr so seid, als wenn ihr lärmet?“

Gewiss wäre es deplaziert, Pestalozzi in irgend einem Detail nachahmen zu wollen, hat sich doch der Lebensstil inzwischen in mancher Hinsicht stark gewandelt. Es geht um die grundsätzliche Erkenntnis: Gesinnung und Verhalten, ‚innen’ und ‚aussen’, ‚Gehalt’ und Form’ sind lebendig aufeinander bezogen im Sinne einer Wechselwirkung. So empfiehlt es sich denn, immer beides zu versuchen: vom Inneren auf das Äussere und vom Äusseren auf das Innere zu wirken.

Zur Illustration meines Gedankens möchte ich eine kleine Episode erzählen, die sich vor ein paar Jahren in meinem Unterricht abspielte: Es ist Winter, morgens um halb acht und darum noch finster, die Schüler (Seminaristen der 1. Klasse) sitzen mit mir im Kreis, und als Erstes fordere ich sie auf (ohne dabei besondere Energie aufzuwenden), das Lied „All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad’ und grosse Treu“ (Luther) zu singen. Ich gebe den Ton und den Einsatz und lasse die Klasse singen. Es ist ein Horror: Keine Rede von ‚frisch’ und ‚neu’, vielmehr Missmut, allenfalls Lässigkeit, jedenfalls nicht das geringste Engagement. Man erreichte gerade so knapp den Schlusston. Dass es so herauskommen würde, hatte ich vorausgesehen. Dann sagte ich etwa Folgendes, wobei ich mich selbst gerade auf den Stuhl setzte und versuchte, selber ‚frisch’ und ‚neu’ in die Welt zu blicken: „Nein, nicht so. Jetzt setzt ihr euch erst mal gerade hin, atmet gemeinsam ein, gebt so viel Ton, dass es alle hören können, denkt an den Inhalt des Liedes und versucht nach bestem Kräften, ein frohes Morgenlied zu singen.“ Dann gab ich einen Einsatz, der seinen Namen verdiente, dirigierte selbst mit Schwung, und das Lied erklang, dass es eine wahre Freude war. Hierauf zog ich (denn dies war das, worum es mir ging) den Schluss: „Beim ersten Mal haben wir alle genau so gesungen, wie uns zu Mute war. Wer steht im Winter schon gerne so früh auf, um zur Schule zu gehen? Und wer singt da schon gerne eine Morgenlied? Würde ich unsere missmutige Gestimmtheit absolut setzen, müsste ich sagen: Wir können eben nicht anders, unsere Seelenlage lässt nichts anderes zu. Aber wie das Beispiel gezeigt hat, konnten wir bereits nach einer halben Minute anders. Auf diese Differenz zwischen der Qualität des ersten und des zweiten Gesangs kommt es an, denn sie ist genau das Mass unserer Freiheit.“ Ich empfehle allen meinen Kolleginnen und Kollegen, an diese Freiheit zu glauben und sie für ihre Schüler immer wieder erfahrbar zu machen. Das wird in dem Masse gelingen, als sie selber qualitätsbewusst sind und sowohl von sich wie von den Schülern stets wieder die höhere Qualität verlangen. Mehr davon im nächsten Kapitel.

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